Übliche Spätehenklausel in Hinterbliebenenversorgung verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des AGG

Viele Hinterbliebenenversorgungen haben als Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung Regelungen so genannter „Spätehenklauseln“. Nach solchen Regelungen soll eine Witwen-/Witwerrente nur dann ausgezahlt werden, wenn der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer die Ehe vor Vollendung eines bestimmten Lebensjahres geschlossen hat. Sinn einer solchen Regelung soll darin bestehen, die Rücklagen zur Altersversorgung kalkulierbar zu begrenzen.

Während noch im Jahre 2005 das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine solche Regelung für zulässig erklärt hat, da es einer sachlich gerechtfertigten Risikobegrenzung diene, hat das BAG nun entschieden, dass eine solche Spätehenklausel gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist. Eine solche Regelung ist mit dem Verbot der Benachteiligung wegen Alters unvereinbar (Urt. v. 04.08.2015 – 3 AZR 137/13).

In dem vorliegenden Fall hatte vor dem Landesarbeitsgericht München (Urt. V. 15.01.2013 – 7 Sa 573/12) eine Witwe den Arbeitgeber ihres Mannes verklagt. Letzter war im Alter von 63 Jahren verstorben. Die Pensionsregelung sah vor, nach dem Versterben des Arbeitnehmers eine Witwenversorgung auszuzahlen, unter der weiteren Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer die Ehe vor Vollendung des 60. Lebensjahres eingegangen ist. Im vorliegenden Fall hatte der verstorbene Mitarbeiter jedoch erst mit 61 Jahren geheiratet, sodass sich der Arbeitgeber auf die Spätehenklausel berief und sich weigerte an die Witwe eine Witwenrente auszuzahlen.

Das Landesarbeitsgericht München, hatte die Klage der Witwe abgewiesen und die Spätehenklausel als rechtmäßig angesehen. Eine unterschiedliche Behandlung des Alters sei zulässig, da das Interesse des Arbeitgebers, die Kosten und Risiken einer Altersversorgung zu steuern, ein legitimes Ziel darstelle und die Regelung hierzu objektiv angemessen sei.

Dieses Urteil hat das Bundesarbeitsgericht gekippt. Die Spätehenklausel ist gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam, da sie den verstorbenen Ehemann der klagenden Witwe unmittelbar wegen des Alters benachteiligt. Diese Benachteiligung kann auch weder direkt, noch in entsprechende Anwendung von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt werden, welcher bei betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit Unterscheidungen nach dem Alter unter erleichterten Voraussetzungen zulässt. § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG erfasse nämlich nur die Alters- und Invaliditätsversorgung und nicht die Hinterbliebenenversorgung und damit auch nicht die Witwen-/Witwerversorgung. Auch ließe sich die Spätehenklausel nicht mit § 10 Satz 1 und 2 AGG rechtfertigen. Im vorliegenden Falle führt die Spätehenklausel nämlich zu einer übermäßigen Benachteiligung der legitimen Interessen des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers.

PRAXISTIPP

Für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber lohnt es sich einen Blick in die Statuten ihrer Versorgungswerke bzw. Pensionskassen zu werfen. Je nach Umfang und Struktur der Belegschaft bleibt zu erwarten, dass die Versorgungsträger die Zahlungsverpflichtungen für Arbeitgeber anheben, bzw. Nachzahlungen fordern werden. Sie benötigen einen Beratungstermin, haben Fragen zum Thema oder wünschen einen Rückruf ? Setzen Sie sich mit uns in Verbindung.